Kathleen 2016/1
"Warum wollt ihr mit zwei so kleinen Kindern auf Reisen gehen? Behaltet doch wenigstens euer Haus und eure Habseligkeiten!"
Wenn wir von unseren Reiseplänen erzählen, reichen die Reaktionen von heller Begeisterung bis zu purem Entsetzen. Es gibt durchaus viele, die sich mit dem Gedanken an eine längere Reise gut
anfreunden können. Aber sobald wir berichten, dass wir natürlich auch Baby-Liese (1) und Mini-Räuber (3) mitnehmen und noch dazu fast unseren gesamten Hausstand auflösen und unser Haus verkaufen,
schlägt die Begeisterung auch oft um. Warum machen wir das also alles so, wie wir es machen?
Wenn ich zurückblicke auf mein Leben, dann lief irgendwie immer alles in geregelten Bahnen. Und das war auch gut so! Die Dinge haben sich immer gefügt, ein ganz normaler Werdegang und alles war
sozusagen im Fluss.
Jetzt kann man sich fragen, ob wir gerade deshalb das augenscheinlich „Extreme“ suchen. Die Frage stellt sich nur, was als „Extrem“ zu bezeichnen ist. Für Einige ist es schon extrem und undenkbar
eine Urlaubsreise nach Mallorca zu unternehmen. Für Andere ist selbst die Besteigung des Mount Everest nichts Außergewöhnliches. Jeder kann seine eigene Meinung entwickeln. Ich habe immer
die Menschen für außergewöhnlich mutig empfunden, welche vermeintlich ohne Rücksicht auf das Morgen ihre Arbeitsstelle und Wohnung aufgegeben haben und einfach losgezogen sind, um ihr Leben zu
leben und sich nicht in den gängigen Konventionen verfangen haben. Hätte es aber noch vor Jahren nicht für möglich gehalten, selbst einmal etwas Ähnliches zu machen.
Vielleicht ist genau das der entscheidende Punkt. Einfach mal mutig zu sein und Träume wirklich zu leben und nicht nur zu träumen. Leben einfach leben und nicht an Standards und
gesellschaftlichen Konventionen festhalten, weil es so bequem ist. Mutig sein, keine Angst vor morgen zu haben. Sondern gerade an Morgen zu denken, an den Tag, an dem man sich fragt, was man aus
seinem Leben gemacht hat und an die Antwort, die man sich dann geben muss.
Für uns war es schon über lange Zeit eine Idee in den Köpfen durch die Welt zu reisen. Unser Australienbesuch, für 3 Monate, inklusive Mini-Räuber der damals knapp ein Jahr war, war „Wasser auf
die Mühlen“. Reisen durch die Weltgeschichte mit viel Zeit und mit Familie.
Familie war uns immer wichtig, einer unserer Grundwerte und etwas worauf wir lange gewartet haben. Jetzt sind Baby-Liese und Mini-Räuber da und wir lieben es! Unser Leben haben wir uns auch jetzt
schon so eingerichtet, das wir möglichst viel Zeit mit den Beiden verbringen können. Aber nun haben wir Größeres vor. Wir wollen noch intensiver mitverfolgen, wie die beiden wachsen und wir
wollen ihnen und uns eine Zeit ohne Konventionen schenken, ohne Verpflichtungen. Denn auch die Beiden haben Verpflichtungen, Kinderkrippe und Kindergarten. Wir wollen auch den Kindern ein Stück
Freiheit schenken, einfach mal in den Tag hinein zu leben und dabei im Nebenbei die Welt und fremde Kulturen zu entdecken. Im Spielen Lernen. In der Sicherheit der Familie Geborgenheit spüren.
Die eigenen Grenzen entdecken. Im Freisein Kreativität entwickeln. Eigene Wertvorstellungen definieren. Wachsen und ein autonomes Leben gestalten. Ein wenig so wie früher. Wie in meiner Kindheit,
als die Zeit noch nicht so schnelllebig war und als es noch nicht hieß, klettere nicht auf den Baum, du wirst herunter fallen, geh nicht allein auf die Straße. Sondern als es hieß, probiere Dich
aus, ich weiß Du kannst das.
Wir drehen die Zeit noch einmal zurück und steigen aus, aus dem aktuellen System und dem gesellschaftlichen Korsett. Wir wollen als Familie frei sein, beieinander sein, unsere Zeit soll uns
gehören. Wir wollen uns nicht um unsere materiellen Besitztümer kümmern müssen, sondern den Kopf frei machen für Neues. Wir wollen uns ein eigenes Bild von der Welt machen. Wollen die Menschen
kennenlernen. Wollen die schönen Seiten entdecken, wollen auch die Augen nicht vor dem Verschließen, was geändert werden muss.
Und was andere schaffen, das schaffen wir auch. Mit Offenheit, Vertrauen, Liebe und dem notwendigen Respekt ist alles möglich.
Natürlich ist es eine Herausforderung und für mich persönlich auch ein Schritt, für den ich einige Überlegungen und Abwägungen gebraucht habe. Diese Reise ist in meinen Augen auch die Aufgabe von
einem Stück Sicherheit. Das war mir bislang immer wichtig. Materielle Dinge, ein fester Arbeitsplatz, ein geregelter Tagesablauf und alle diese Dinge aus unserem aktuellen Alltag können
Sicherheit bedeuten, sind angenehm und bequem. Aber bedeuten sie auch Leben? Und genau das ist die entscheidende Frage! Werde ich krank oder fehlen die Lieben in meinem Leben nutzt mir all dies
nichts und diese vermeintliche Sicherheit ist nicht mehr so angenehm und bequem, denn dann geht es um das Wesentliche, um das Leben als Solches. Also entscheide ich mich zu leben.
So viele reisende Familien können kein Zufall sein. Soviel Wunsch nach Freiheit wird die Welt verändern, wird ein anderes Bewusstsein für das Wesentliche schaffen. Die jetzt noch kleinen
Reisenden werden sich ihr eigenes Bild von der Welt machen, werden eigene Werte entwickeln und sie werden hinterfragen, was man ihnen glaubhaft machen möchte. Sie werden diejenigen sein, die die
Welt entscheidend prägen und verändern.
Am Ende stellen wir dann mit Sicherheit fest, dass alle Menschen auf der Welt nur das Gleiche wollen: in Sicherheit und Frieden wachsen, Respekt für Mensch und Tier zu zeigen, Liebe und
Verständnis in die Welt zu tragen, frei ohne Einschränkungen entscheiden zu können, die Welt ein Stück besser machen.
Kathleen
2016/1